Deutschland in der Rezession: abwarten, jammern oder handeln?

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mann-wasser-am-hals-xsa-amridesign-fotoliaWirtschaftweise, Konkunkturforscher, ja selbst die Regierung lässt verlauten: es wird ganz fürchterlich. Bis auf die erste Kommastelle will man uns weissagen, man wüsste wie sich die Konjunktur, das Bruttosozialprodukt, die Arbeitslosenzahlen etc. entwickeln würden.

Was insofern verwunderlich ist, weil eine Krise solchen Ausmaßes ja noch nie dagewesen sein soll, aber natürlich verfügt man über die richtigen Instrumente und kennt die zukünftige Wirtschaftsentwicklung ganz genau.

Wie ich in diesem Blogbeitrag beschrieben habe, ist es mit derlei Konjunkturprognosen ähnlich bestellt wie mit astrologischen Prophezeiungen: hoffentlich erinnert sich ein Jahr später niemand daran, weil die Vorhersagen entweder so allgemein sind, dass es immer passt oder schlicht nicht stimmen.

An dieser Stelle warne ich ja immer davor, Expertenmeinungen zu sehr zu vertrauen (das gilt auch für meine hier vertretenen Standpunkte). Im SPIEGEL vom 2.2.09 las ich einen Bericht, in dem die Urteilskraft berühmter Weinverkoster getestet wurden.

Das Ergebnis ist erschreckend, wenn auch nicht überraschend. Kaum ein Urteil eines Weinverkoster (und die machen das beruflich) war verlässlich. Derselbe Wein wurde vom selben Tester an zwei verschiedenen Tagen mal in den Himmel gehoben und an einem anderen Tag vernichtend abgestraft. Das Urteil der Tester hing ab von der Farbe des Raumes (!) und vor allem vom Preis. Derselbe Wein, mit einem teuren Etikett versehen, bekam Höchstnoten. Trug er das Etikett einer Billigmarke wurde er als fast ungenießbar bewertet.

Warum sind wir Menschen so expertengläubig?
Wir lesen Ranglisten der 100 wichtigsten Frauen in Deutschland oder Rankings der besten Ärzte und Rechtsanwälte. Es hat wohl damit zu tun, dass die Wirklichkeit ungeheuer komplex ist. So vielfältig und überraschend, dass wir sie nicht wirklich erkennen können und dauernd sagen müssten: „Ich habe keine Ahnung!“

Aber mit dieser Ungewissheit können wir nicht leben. Deshalb machen wir uns Landkarten von der Realität, innere Bilder. Doch die in diesem Blog viel geschriebene Regel lautet:

„Die Landkarte ist nicht die Landschaft.“

Was einem beim Stadtplan oder dem Navigationsgerät noch einleuchtet, ist bei unseren inneren „Landkarten“ schwieriger. Da halten wir oft unsere  Landkarte nicht für ein stark verkürztes Abbild der Wirklichkeit. Nein, wir sind feslsenfest überzeugt: „So ist es!“

Doch unsere Vorurteile über Italiener, Frauen, Beamte, Manager etc. haben mit der Realität nichts zu tun. Aber sie helfen uns, die Komplexität der Wirklichkeit zu reduzieren. Und das brauchen wir.

Zurück zur Rezession. Viele sind unsicher, haben Angst, malen Katastrophenszenarien. Die Frage ist: abwarten, jammern oder handeln?

Abwarten ist gut.

Da man nicht wissen kann, wie sich alles entwickelt, ist Abwarten eine gute Strategie. Wird man seinen Arbeitsplatz verlieren, gehen die Aufträge zurück, kommen weniger Kunden?

Dass Abwarten eine gute Strategie ist, zeigt meine taoistische Lieblingsgeschichte dazu:

In einem Dorf lebte ein Bauer, der ein Pferd besaß, mit dem er pflügte und Lasten beförderte. Eines Tages lief sein Pferd davon. Alle seine Nachbarn riefen, wie schrecklich das sei, aber der Bauer meinte nur: „Abwarten.“

Ein paar Tage später kehrte das Pferd zurück und brachte zwei Wildpferde mit. Die Nachbarn freuten sich alle über sein günstiges Geschick, doch der Bauer sagte nur: „Abwarten.“

Als am nächsten Tag sein Sohn versuchte, eines der Wildpferde zu reiten, warf ihn das Pferd ab und er brach sich ein Bein. Die Nachbarn bedauerten ihn ob dieses Missgeschicks, da doch jetzt die Arbeitskraft des Sohnes ausfalle. Der Bauer meinte nur: „Abwarten.“

In der nächsten Woche kamen Rekrutierungsoffiziere ins Dorf, um die jungen Männer zur Armee zu holen. Den Sohn des Bauern wollten sie nicht, weil sein Bein gebrochen war.

Als die Nachbarn ihm sagten, was für ein Glück er habe, antwortete der Bauer: „Abwarten.“

Von soviel asiatischer Gelassenheit könnte mancher etwas gebrauchen, doch braucht es dazu viel Vertrauen ins Leben., Vertrauen, dass sich die Dinge schon irgendwie regeln werden. Oder anders ausgedrückt, dass das Leben uns trägt – und wir nicht dauernd das Leben kontrollieren müssen.

Jammern ist gut.

Über seine Situation zu jammern ist gut, weil man dann nicht allein ist. Wer jammert, findet schnell wildfremde Menschen, die ihm zustimmen und meist neue Stichworte liefern, worüber man noch jammern könnte.

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Dabei spielt das reale Geschehen kaum eine Rolle. Jammern kann man immer. Ist der Winter zu warm, jammert man über den Klimawandel. Ist er wie dieses Jahr normal kalt mit viel Schnee, jammert man über die hohen Heizkosten.

Jammern ist auch deshalb gut, weil einem praktisch sofort jemand einfällt, der daran schuld ist. Finanzkrise (gierige Manager). Klimawandel (je nach ideologischer Ausrichtung, Autofahrer, Atomkraftwerke, Rindfleischesser).

Wer jammert, wartet nicht ab, akzeptiert auch nicht die Situation, wie sie ist, sondern beklagt sich – handelt aber nicht. Weil er sich meist als Opfer sieht, sich dementsprechend hilflos und ohnmächtig erlebt und dadurch wenig zutraut und nichts an seiner Situation glaubt, ändern zu können.

Jammern hat nur den Nachteil, dass man mit der Zeit wirklich glaubt, man sei „der kleine Mann“ und „die da oben“ machten einfach immer, was sie wollten und lebten dabei in Saus und Braus. Das Sprachrohr der Opfer – die BILD-Zeitung versorgt einen da regelmäßig mit Meldungen, die diese Weltordnung bestätigen. Von Florida-Karin, die in USA ihre Sozialhilfe verjubelt oder Bundestagsabgeordneten, die sich per Diätenerhöhung ungeniert die Taschen füllen.

Handeln ist gut.

Wer handelt, will nicht abwarten, weil er fürchtet, dass es beim Nichtstun durchaus noch schlimmer werden könnte. Wer handelt, will auch nicht klagen oder anderen die Schuld zuschieben, weil er weiß, dass meistens die von ihm Beschuldigten irgendeine Verantwortung weit von sich weisen.

Wer handelt, kommt auch dem Vorwurf zuvor (von anderen oder aus dem eigenen Überich) , er hätte die Krise nur ausgesessen oder hätte tatenlos zugesehen und herumgejammert. Zumindest kann er sagen, er hat etwas probiert.

Viele haben derzeit Angst, ihren Arbeitsplatz zu verlieren. In der Automobilbranche und deren Zulieferfirmen sowieso. Aber da in einer Wirtschaft alles mit allem zusammenhängt, breiten sich Umsatzverluste in einer Branche wie ein Virus sprunghaft und unvorhersehbar auf andere Branchen aus.

Woran Sie erkennen können, dass eventuell auch Ihr Job gefährdet ist, hat Blogger-Kollege Jochen Mai in einem Artikel zusammengetragen.

Angst wird vor allem dann quälend, wenn Sie von dem Gefühl der Hilflosigkeit und  Ohnmacht begleitet wird. Doch Sie sind fast nie völlig hilflos. Auch wenn Sie vielleicht äußerlich an der Situation nichts ändern können, sind Sie doch immer in der Lage, zu entscheiden, wie Sie innerlich damit umgehen können.

Das vergessen viele Menschen. Am 6.1.09 brachte sich der Milliardär Adolf Merkle um, weil er sich mit Aktienspekulationen verzockt hatte. Es ist immer schmerzlich, viel Geld zu verlieren.  Egal ob ein Milliardär einen Großteil seines Firmenimperiums verliert oder ein Hartz-4-Empfänger seinen Geldbeutel.

Doch zum Opfer wird man erst, wenn man glaubt, damit nicht umgehen zu können. Denn genau genommen war Herr Merkle kein „Opfer der Finanzkrise“, wie seine Familie verbreiten ließ,  sondern ein Opfer seiner Gefühle und Wertvorstellungen, die er an die neue Situation nicht anpassen konnte oder wollte.

Was bedeutet Handeln in der gegenwärtigen wirtschaftlichen Situation?#

Für günstig halte ich, wenn man Optionen entwickelt. Also sich überlegt, was man tun könnte.

Für Angestellte hat Jochen Mai auch hier gute Tipps:vater_laptop_kind_istock_xs_000004635780xsmall

  • Zusatzaufgaben übernehmen
  • Früh netzwerken
  • Intern umorientieren
  • Auf Gehalt verzichten

Aber vielleicht ist die gegenwärtige „Krise“ auch eine Gelegenheit für Sie, etwas ganz anderes zu machen. Der vermeintlichen Jobsicherheit des Angestelltendaseins Lebewohl zu sagen und sich selbständig zu machen.

Wer selbständig ist oder werden möchte, braucht vor allem Mut und Vertrauen in sich selbst. Trendforscher gehen ohnehin davon aus, dass in nicht allzuferner Zukunft fast jeder ein „Lebensunternehmer“ sein wird. Also ein Mensch, der seine Fähigkeiten und Neigungen kennt und diese „verkauft“. Durchaus auch in mehreren oder wechselnden Arbeitsverhältnissen.

Als ich vor vierzig Jahren als Angestellter im Kreditreferat der Dresdner Bank Ludwigshafen arbeitete, war damals klar, wenn ich meine Arbeit tue und nichts klaue, kann ich hier bleiben bis zur Rente. Doch dieses Konzept von Berufstätigkeit gibt es nur noch in ganz wenigen beruflichen Biotopen.

Und wie soll ich mich selbständig machen?

Aus meinen Coachings kenne ich einige der häufigsten Fragen und Bedenken:

  • „Ich habe keine Idee, mit welcher Dienstleistung/welchem Produkt ich mich selbständig machen könnte. „
    Hier ist es am besten, etwas zu finden, was Ihnen Freude macht und in dem Sie kompetent sind.
  • „Ich habe kein oder wenig Startkapital.“
    Viele Tätigkeiten lassen sich nebenberuflich starten oder brauchen eher eine zündende Idee als viel Kapitaleinsatz.
  • „Ich habe zu wenig Selbstvertrauen, dass Sie das schaffen könnte.“
    Persönliche Ängste und grüblerische Schwarzmalerei sind Hindernisse, die Sie erkennen und überwinden können.
  • „Mir fehlen Kenntnisse und Fähigkeiten, wie man ein Geschäft aufziehen könnte.“
    Im Internet finden Sie Hunderte von kostenlosen Blogs, E-Books, Video-Tutorials oder bezahlbaren Anleitungen, die das nötige Rüstzeug vermitteln.
    Das wichtigste Knowhow und die notwendigen Techniker lernen Sie auch in meinem Marketing-Seminar für Selbständige.

Also was ist in der gegenwärtigen Situation das Klügste. Abwarten? Jammern? Handeln?

Ich habe keine Ahnung. Und Sie wissen es auch nicht hundertprozentig. Jede der drei Verhaltensweisen kann klug und richtig sein. Oder sich als falsch herausstellen. Das Leben ist einfach ungewiss. Das macht es so spannend.

Diesen Beitrag können Sie sich hier als Podcast anhören:

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Und mit welcher Begründung und welcher Hoffnung?

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Fotos: © Stefan Rajewski, amridesign – Fotolia.com;  istock

Der Autor

Bloggt hier regelmäßig seit Juli 2005. Führt intensive 3-h-Online-Coachings durch.. Schreibt Bücher, eBooks und eMail-Kurse. Zeichnet jetzt sogar Cartoons.